Tasse mit Golddekor
um 1813
Porzellan
H 6,2 cm x Dm 6,3 cm
1999 restauriert, teilergänzt
Inv.-Nr. V146A
Durch die Französische Revolution 1789 – 1799 steigt der auf Korsika geborene Napoleon Bonaparte (Korsika 1769 – St. Helena 1821) in der Armee auf, bis er schließlich zum 1. Konsul der Republik Frankreich ernannt wird. Schnell verfolgt er seine Ambitionen, die Republik deutlich zu vergrößern und macht sich die Unzufriedenheit innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu nutze. 1806 gründet er mit einigen deutschen Staaten den Rheinbund, wodurch diese die bisherige Ordnung verlassen und ein Militärbündnis mit Frankreich eingehen. Mithilfe seiner Armee vergrößert Napoleon seinen Herrschaftsbereich bald über weite Teile Europas. Seine Krönung zum Kaiser erzürnt den Zaren von Russland und andere. Es gibt ständig neue kriegerische Auseinandersetzungen. Erst mit seinem Angriff auf Russland 1812 verändern sich die Machtverhältnisse zu Napoleons Ungunsten. Die Befreiungskriege beginnen.
Im September / Oktober 1813 befindet sich Napoleon schließlich mit einem großen Teil seiner Armee (ca. 120.000-130.000 Soldaten) auf dem Rückzug in Richtung Frankreich. Dicht gefolgt von dem Heer der Schweden, Preußen, Briten und anderer Verbündeter. Bereits 1806 hat Napoleon Sachsen mit dem Frieden von Posen auf seine Seite gebracht, indem er den Kurfürsten in die Königswürde erhebt. So wählt er den Weg durch die vermeintlich sicheren sächsischen Gebiete. Am 8. Oktober 1813 erreicht Napoleon die kleine Stadt Wurzen an der Mulde, in der damals ca. 5000 Einwohner leben. Diese haben im Verlauf des Jahres 1813 bereits einige kriegerische Auseinandersetzungen miterlebt und im gesamten Wurzener Land kommen Truppendurchzüge verschiedenster Armeen häufig vor. Alle wollen verpflegt und untergebracht werden. Häufig kommt es zu Plünderungen. Als Napoleon nun gegen 14:15 Uhr in Wurzen eintrifft, reitet die gesamte Leibgarde des Kaisers mit ihm in den Ort. Die Straßen sind mit Menschen und Pferden so vollgestopft, dass sich die Bewohner dicht an die Häuserwände drücken müssen, um überhaupt noch einen Weg hindurch zu finden.
Quartier bezieht Napoleon im Haus des reichsten Kaufmanns der Stadt, Carl Gottlieb Sommer (geb. Wurzen 1757). Dieser bewohnt seit 1789 die Domgasse 2 und führt von hier aus einen sehr florierenden Rauchwarenhandel. Immer wieder werden in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wichtige Gäste in seinem Haus untergebracht. Napoleon bleibt nur eine Nacht. Am nächsten Morgen erhält er der Legende nach eine kleine Mokkatasse voll heißer Schokolade. Nachdem er diese getrunken hat, wirft er die Tasse, nach dem alten Brauch „Scherben bringen Glück“, mit Schwung hinter sich auf das Pflaster. Die Tasse zerspringt und die Köchin des Hauses sammelt die Scherben auf, setzt die Tasse wieder zusammen. Diese übersteht die Wirren der Zeit und gelangt schließlich, gemeinsam mit ihrer Geschichte in das Museum Wurzen. 1999 ist eine umfassende Restaurierung erfolgt und eine Untertasse aus Meißner Porzellan hinzugefügt worden.
Napoleon ist weiter in Richtung Eilenburg gereist. Sein weiteres Schicksal ist bekannt. Sein versammeltes Heer beginnt am Folgetag bereits ab 5 Uhr morgens mit dem Abzug. Bis der letzte Soldat losmarschierte ist es bereits 14 Uhr. In der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober muss der Kaufmann Sommer erneut hohen Besuch bewirten. Dieses Mal den sächsischen König Friedrich August I. (1806 – 1827) mit seiner Familie. Er reist ebenfalls nach einer Nacht in östliche Richtung ab.
Nach der Niederlage Napoleons streifen Kosakentruppen plündernd durch Sachsen. Auch Haus und Pelzlager des Kaufmanns Carl Gottlieb Sommer fallen ihnen zum Opfer. Aus etlichen Briefen der nachfolgenden Jahre von Sommer an den Rat der Stadt geht hervor, dass ihm die hohen Auslagen nur zum Teil oder gar nicht erstattet werden. Vielfach bleibt er auf den Kosten sitzen, man unterstellt ihm sogar, diese überhöht anzugeben. Sommer kämpft viele Jahre darum, seine Auslagen zurückzuerhalten, muss aber schließlich Konkurs anmelden und zieht aus Wurzen weg.
Quellen und Literatur:
E. Krannich, Funck. Tagebücher einer Zeitenwende, [Grimma] 2007.
E. Schmidt, Wurzen in der Franzosenzeit, in: Mitteilungen des Wurzener Geschichts- und Altertumsvereins (1910), 1. Band, 1. Heft, S.69-95.
Wurzener Erzähler (1932), Ausgabe 42 / 45.
Briefe des Kaufmanns Carl Gottlieb Sommer an den Rat der Stadt Wurzen 1813-1816. (Sächsisches Staatsarchiv, Bestand 20630)