Daniel Nikolaus Chodowiecki (Danzig 1726–Berlin 1801)
12 Illustrationen zu Fabeln von Gellert, Gleim, Hagedorn und Lichtwer
Erschienen in: Kleiner Taschen Calender auf das gemeine Jahr 1795. mit Kupfern gezieret und – zu Berlin herausgegeben
Datierung: 1792
Technik/Material: Radierung auf Papier
Signatur: unten links „D:Chodowiecki sc:1792“
Maße: 20,2 *32,1 cm, Druckplatte 15,4 * 27,4 cm, Darstellung: 5,1 * 4,5 cm
Inv.Nr.: EK1161/22
Im Jahr 1748 veröffentlicht der in Wurzen geborene und an der Universität Wittenberg als Privatdozent tätige Jurist Magnus Gottfried Lichtwer (1719–1783) als noch unbekannter Dichter in Leipzig seine „Vier Bücher Aesopscher Fabeln in gebundener Schreib-Art“: Das einzige Werk, das seinen Nachruhm begründet hat. Wichtigster Förderer seiner Dichtkunst ist der mit ihm befreundete einflussreiche Leipziger Dichtungstheoretiker Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Heute gehören die zu seinen Lebzeiten in vier jeweils geänderten und vermehrten Auflagen erschienenen Originalausgaben der Fabeln (unter eigenem Namen 1758, 1762 und 1775) zu den populärsten Beispielen ihrer Gattung. Darüber hinaus veröffentlicht Karl Wilhelm Ramler (1761) zu Lichtwers Verbitterung einen unberechtigten Nachdruck. Die 1763 publizierte französische Prosaübersetzung durch Gottlieb Konrad Pfeffel dahingegen steigert seine Bekanntheit.
Als er stirbt, beklagen Zeitgenossen den Tod des "deutschen Lafontaine." Goethe sieht in dem Fabulisten einen der "besten Köpfe" der deutschen Poesie im 18. Jahrhundert. Mit Gellert, Gleim, Hagedorn und Lessing zählt Lichtwer noch heute zu den bekanntesten deutschen Fabeldichtern. Populär ist etwa seine Lehre: „Blinder Eifer schadet nur!“ aus der Fabel „Die Katzen und der Hausherr“.
Die literarische Gattung der Fabeldichtung erfreut sich zur Zeit der Aufklärung größter Beliebtheit. Was sich zwischen Menschen und menschlicher Gesellschaft abspielt, kann, meist auf Tiere übertragen, innerhalb der kurzen Fabeln prägnant erfasst werden. Gellert, Gleim, Hagedorn, Lichtwer und Pfeffel passen sie dem Zeitgeschmack an, mischen Humor und Satire, Wunderbares und Wahres, wodurch der trockene Aufklärerton glücklich gebrochen wird.
Wesentlichen Anteil an der Popularisierung der Fabeldichter hat die aus Frankreich übergreifende Mode der periodisch erscheinenden Almanache und Kalender, deren Absatz steigt, wenn sie mit Kupfertafeln ausgestattet sind. Einer der gefragtesten Illustratoren seiner Zeit ist der in Berlin tätige Kupferstecher Nikolaus Daniel Chodowiecki, der sich auf die Veröffentlichung von Radierungen spezialisiert hat. Zu den häufig von ihm illustrierten literarischen Stoffen gehören auch Fabeln für kleinformatige Taschenkalender, die in Aufbau und Inhalt den Almanachen sehr ähneln und Themen wie Erziehung, Geschichte, Geselligkeit und Reisen behandeln.
Das Kulturhistorische Museum Wurzen hat für den regionalen Ergänzungsteil der Wanderausstellung "Was bleibet aber ... Literatur im Land" der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. (noch zu sehen bis zum 22. Oktober 2022 in der Städtischen Galerie am Markt) diesen Bogen mit zwölf kleinstformatigen Radierungen zu Fabeln von Gellert, Gleim, Hagedorn und Lichtwer erworben. Von Lichtwer werden die Fabeln „Der Riese und der Zwerg“, „Der Wandersmann und die Sonnenuhr“ und „Die Flinte und der Hase“ illustriert. Gestochen hat Chodowiecki die Druckplatte 1792. Veröffentlicht wurden die Fabelillustrationen 1795 im Kleinen Taschen Calender in Berlin, der ausschließlich für die Hände von Damen bestimmt war. Bereits im Vorjahr hatte ein gleichfalls für diesen Taschenkalender von Chodowiecki gestochener sehr ähnlicher Zyklus von 12 Fabelillustrationen zu Fabeln von Gellert, Gleim, Hagedorn, Lichtwer und Pfeffel das bildungshungrige Lesepublikum erfreut. Von Lichtwer fanden sich hierin Illustrationen zu „Damon und Pythias“ sowie „Vater und Sohn“. Dass die seltenen hochqualitativen Frühdrucke Chodowieckis begehrte Sammelobjekte waren, belegt dieser Bogen.
Literatur:
Engelmann, Wilhelm, Daniel Chodowiecki's sämmtliche Kupferstiche, Leipzig 1857, S. 360, Nr. 680.
Fabeln des achtzehnten Jahrhunderts, mit 24 Kupfern von Daniel Chodowiecki, eingeleitet und herausgegeben von Willy Kurth, Berlin 1923.
Lichtwer, Magnus Gottfried, „… ihr müsst der kleine Töffel bleiben“. Achtzehn Fabeln mit Radierungen von Reiner Zieger und einer biographischen Studie von Hans-Jürgen Moltrecht, hrsg. vom Kulturbund der DDR, Kreisleitung Wurzen, Leipzig 1982.