Feierabendziegel
1. H. 19. Jahrhundert
Ton
L 37,7 cm x B 16,2 cm (V6156H)
L 37,3 cm x B 15,3 cm (V6160H)
L 38,7 cm x B 16,3 cm (V6173H)
Inv.-Nr. V6156H, V6160H, V6173H
Der Begriff „Feierabendziegel“ fasst alle Ziegel zusammen, die mit Inschriften, Zeichnungen und Symbolen verziert wurden. Die Technik Ziegel zu verzieren, ist keine Erfindung des deutschsprachigen Raums. Auch die Technik des Ziegelns führten die Römer in Ländern nördlich der Alpen ein. Man unterscheidet zwischen Ziegeln mit Inschriften, Schutzziegeln und Zählziegeln. Der älteste nachgewiesene gestaltete Ziegel in Deutschland stammt aus dem Jahr 1437 und ist im Museum Bad Herrenalb zu sehen.
Lange hielt sich die Annahme, dass der Ziegler die Gestaltungen erst nach dem erledigten Tagwerk vornahm, daher der Begriff „Feierabendziegel“. Inzwischen bestehen Zweifel an dieser Annahme, denn der Beruf des Zieglers war eine körperlich anstrengende Tätigkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass der Handwerker nach 1000 Ziegeln, die er am Tag herstellen konnte, noch Muße für künstlerische Arbeiten hatte, dürfte ziemlich gering sein. Die Herstellung der Ziegel war eine vergleichsweise monotone Arbeit. Der vorbereitete Ton wurde in Portionen geteilt und in eine gewässerte Holzform geschlagen, fest und gleichmäßig in der Form zurecht gedrückt. Im Anschluss wurde die obere Kante mit einem Streichholz oder einem Draht abgestrichen. Nun stürzte man die Form auf eine sandige Fläche und ließ den Ziegel trocknen. Waren sie so angetrocknet, dass sie ihre Form nicht mehr verloren, wurden sie aufgestellt und aneinander gekantet, um allseitig zu trocknen. Nach vollständiger Trocknung erfolgte der Brand in speziellen Brennöfen. Im 18. und 19. Jahrhundert konnte ein ausgebildeter Ziegler während eines 12 Stunden Arbeitstages 1200 Ziegel herstellen.
Inschriften können ganz unterschiedlicher Natur sein. Es gibt Namen, Ortschaften, Jahreszahlen oder ganze Rechnungen. Zählziegeln dienten der Nachvollziehbarkeit der Menge. Bei mehreren tausend Stück, die bestellt wurden, waren Zählung und Handel ökonomischer durchzuführen.
Der Begriff der Schutzziegel wird inzwischen ebenfalls kritisch hinterfragt. Vor einigen Jahrzehnten war man noch der Meinung, dass mit Sonnen, Hahndarstellungen und ähnlichem verzierte Ziegel dem Schutz des Hauses vor bösen Geistern dienen sollte. Diese Form der Ziegel war aber wohl weitverbreiteter, als es der Aberglaube war. Darüber hinaus finden sich solche Ziegel ebenfalls an Kirchen und damit an Orten, wo vielfach Objekte mit apotropäischer Funktion (etwa auch Bauplastik, Weihekreuze) Verwendung fanden. Da es keine schriftliche Überlieferung eines Zieglers über die Motivation zur Gestaltung von Ziegeln gibt, geht man inzwischen eher davon aus, dass die verzierten Ziegel mit bestellt wurden. Die Markierung mit Jahreszahlen häuft sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts und spiegelt das gestiegene historische Bewusstsein der Bevölkerung, ähnlich wie bei Jahreszahlen in Türsturzen, wider.
Die drei vorliegenden Ziegel zeigen drei Varianten der Darstellung: eine figürliche Darstellung eines Menschen mit Bart und großer Nase, einen Sonnenziegel mit drei kleinen Blumen und einen Ziegel mit großen Sonnen und der Jahreszahl 1807. Bei allen Ziegeln ist die Herkunft nicht überliefert. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie sich an Gebäuden innerhalb Wurzens befunden haben. Unklar bleibt der Herkunftsort dieser roten Ziegel. Tongruben mit gelb brennenden Rohstoffen, wie z.B. im Gebiet Bennewitz/ Lübschütz kommen eher nicht in Frage. Es ist zu vermuten, dass auch Lagerstätten mit rot brennenden Materialien in der weiteren Umgebung von Wurzen genutzt wurden, denn ein Transport der Produkte über größere Entfernungen war damals eher untypisch.
Literatur
W. Bender, Lexikon der Ziegel, 1995.
K. Kempf, Von Zieglern und Ziegeln, 1998.
E. Rupp, Die Geschichte der Ziegelherstellung, 1993.
https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2015/4/was-sind-feierabendziegel-.php [Online-Ressource, abgerufen 28.10.2024]