Reisepass
Ausgestellt am 19.01.1834
Papier, Tinte, Stempelfarbe, Wachs
Breite 21,5 cm, Höhe 36 cm
Inv.Nr.: V1720S
Die Geschichte der Reisepässe beginnt im Mittelalter. Wer sich zu dieser Zeit auf den Weg machte, setzte sich oftmals einem beträchtlichen Risiko aus. Von Wegelagerern und Räubern ging Gefahr für Leib und Leben aus. Damit die Kaufleute dennoch anreisten, um auf Märkten und Messen ihre Handelswaren anzubieten, entstanden Anfang des 13. Jahrhunderts unter Kaiser Friedrich II. die Vorgänger der Reisepässe: die Geleitbriefe. Gegen eine Zollentrichtung sicherten diese freiwillig beantragten Schriftstücke Schutz und Geleit zu.
Im Laufe der Zeit hatten die Reisedokumente noch weitere Zwecke zu erfüllen. Verpflichtend wurde das Mitführen der Papiere ab dem Jahr 1462 für die Soldaten des französischen Königs Ludwig XI., wenn diese sich nach erteilter Berechtigung von der Truppe entfernten. Die Pässe sollten eine Unterscheidung zwischen den entlassenen, beurlaubten oder invaliden Soldaten und den Deserteuren ermöglichen. Während der Pestwellen wurden Sanitätszeugnisse als Reisepässe ausgestellt, um trotz der großen Angst vor Ansteckung den Einlass in die Städte zu ermöglichen.
Das Ende des 18. Jahrhunderts bildet in der Geschichte der Reisedokumente eine Zäsur. Aufgrund der angespannten politischen Lage, bedingt durch die Französische Revolution 1789 und dem kurz darauffolgenden Ausbruch des Ersten Koalitionskrieges, verschärfte Frankreich die Ein- und Ausreisekontrollen. Im Zuge dessen schien es erforderlich, massentaugliche und fälschungssichere Dokumente anzufertigen, welche eine eindeutige Identifikation des Inhabers gewährleisten konnten. Die Standardisierung der Reisepässe begann.
Diese Situation wirkte sich zeitnah auf die deutschen Staaten aus. Angesichts der französischen Spione und der steigenden Flüchtlingszahlen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts auf deutschem Gebiet Pässe und Aufenthaltskarten eingeführt. Unter den Einreisebedingungen des „Allgemeinen Paßreglements für gesamte Königlich-Preußische Staaten, vom 20. März 1813“ befand sich bereits eine Passpflicht.
Der Reisepass für den Bürger und Kürschnermeister August Christoph Friedrich Köper wurde vom Wurzener Stadtrat am 19. Januar 1834 ausgestellt. Aus dem sechsfach gefalteten Schriftstück geht hervor, dass der Passinhaber in Eisleben geboren wurde und in Wurzen wohnt. Als Grund seiner Reise ist ein Besuch bei seinen Verwandten in Eisleben notiert.
Ein auffälliger Unterschied zu modernen Reisedokumenten ist das Fehlen eines Passfotos. Tatsächlich schlägt die Geburtsstunde der Fotografie erst im Jahr 1839, als Louis Jacques Mandé Daguerre öffentlich die patentierte Daguerreotypie präsentierte. Während einer langen Belichtungsphase ermöglichte das fotografische Verfahren, die Aufnahmen als spiegelverkehrte Bilder auf einer bearbeiteten Kupferplatte festzuhalten. Eine Vervielfältigung der so entstandenen Fotografien war zu diesem Zeitpunkt technisch nicht umsetzbar. Aus diesem Grund sahen genormte Formulare für Reisepässe, welche beispielsweise in Preußen schon mit der Passpflicht Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt wurden, stattdessen das sogenannte Signalement vor.
Das Signalement, also eine detaillierte Beschreibung der signifikanten äußeren Merkmale des Passinhabers und die Angabe des Alters, findet sich auch auf Köpers Reisepass. Demnach trug der 49 Jahre alte Mann schwarzes Haar, das seine Stirn bedeckte. Unter anderem war er von mittlerer Größe und sein ovales Gesicht charakterisierten ein regelmäßiger Mund und ein voller Bart. Seine Gesichtsfarbe wurde als „gesund“ eingestuft.
Auch der Reisepass des Herrn Karl Ludwig Rudolph Freiherrn von Kalitsch aus dem Jahr 1852, welcher ebenso in der Dauerausstellung des Museums präsentiert wird, enthält eine ausführliche Personenbeschreibung, die ihn als 36 Jahre alten, dunkelblonden und blauäugigen Mann mit gewölbter Stirn und gebogener Nase charakterisiert. Zudem werden „alle Civil- und Millitärbehörden“ ersucht, den Vorzeiger, welcher in Begleitung seiner Frau Bertha Ferdinande Freiherrin von Kalitzsch reist „und durch Notorietät legitimirt ist, ungehindert reisen auch ihnen nöthigen Falles Schutz und Beistand angedeihen zu lassen“. Der Rittergutsbesitzer erhielt auf seinem Dokument für Auslandsreisen insgesamt 40 Länder- und Zollstempel.
Literatur:
Lorber, Karin, Von Vogelhäusern, Schuhputzern und Kartoffeln - Einführung in die Geschichte der Fotografie, in: Rudolfinum- Jahrbuch des Landesmuseums für Kärnten, Klagenfurth 2015, S. 153-176.
Reisen, Andreas, Der Passexpedient. Geschichte der Reisepässe und Ausweisdokumente - vom Mittelalter bis zum Personalausweis im Scheckkartenformat, Baden-Baden 2012.