Fotoalbum
2. H. 19. Jh
Metall, Leder, Papier
H 29 x B 22,5 x T 5,5 cm (geschlossen)
Inv. Nr. I2404
Selbst in unserem digitalen Zeitalter findet sich in fast jedem Haushalt noch ein Fotoalbum. Seien es Erinnerungen an das Aufwachsen der Kinder, eine schöne Urlaubsreise oder Familienfeier, wir halten gerne Momente dieser Ereignisse auf Bildnern für die Ewigkeit und das eigene Erinnern fest.
Die Fotografie entsteht circa 1826 mit einer Erfindung des Franzosen Joseph Nicéphore Niépce (1765 – 1833): Es gelingt ihm auf einer mit Asphalt beschichteten Zinnplatte durch eine Belichtungszeit von 8 Stunden den Ausblick aus seinem Atelierfenster festzuhalten. Sein Kompagnon, der Maler Louis Jacques Mandé Daguerre (1787 – 1851), entwickelt diese Technik weiter und kann 1837 mithilfe einer versilberten Kupferplatte und Quecksilberdämpfen die Belichtungszeit extrem verkürzen. Jede Aufnahme ist ein Unikat und seitenverkehrt. Das nach ihm benannte Daguerreotypieverfahren findet seinen Einzug zuerst in der Anfertigung von Porträts. Die hohen Preise der Geräte halten viele Interessenten noch zurück. Erst die Senkung des Verkaufspreises, die stetige Weiterentwicklung der Objektive und der Aufzeichnungsverfahren führt die Fotografie nach und nach zum Massengebrauch. Durch das Petzval-Objektiv, entwickelt von Josef Maximilian Petzval (1807 – 1891), kann die Belichtungszeit auf 1,5 bis 2 Minuten reduziert werden. Trotz der giftigen Komponenten, Quecksilber- und Joddämpfe, kommt es zur massenhaften Produktion von Daguerreotypien in aller Welt. Die Möglichkeit ein schnelles, mit geringen Mühen angefertigtes Abbild eines Menschen anzufertigen, fasziniert die Menschen des Viktorianischen Zeitalters. Zwar fällt es schwer, mehrere Minuten dieselbe Position zu halten, aber das war immer noch deutlich kürzer, als einem Maler Modell zu sitzen. Auf Grund des vollautomatisierten Ablaufs ist dieses Verfahren nicht nur den wohlhabenden Bevölkerungsgruppen vorbehalten. Insbesondere die Porträtfotografie avanciert schnell zu den herausragenden ersten Anwendungsgebieten der Fotografie. In der Folge entstehen Fotostudios in allen großen Städten Europas. Eines der ersten gründet 1846 die erste Berufsfotografien Bertha Wehnert-Beckmann (1815 – 1901) in Leipzig. Sie gilt als die erste künstlerisch selbstbewusste Fotografin überhaupt.
Im Laufe der Zeit schreitet die technische Entwicklung immer weiter fort: Belichtungszeiten sinken auf wenige Sekunden, Glasnegative erlauben mehrere Abzüge desselben Bildes usw. Schnell entstehen kleine Visitenkarten mit Fotografie, die sowohl als Werbung dienen, aber vor allem als Sammlerstücken sehr begehrt sind. Auf Grund der großen Nachfrage nach Kameras, Objekten und später Filmen sowie den Chemikalien für die Entwicklung und Vervielfältigung der Bilder, entwickelt sich die Fotografie rasch zu einem eigenen Industriezweig. Gleichzeitig ist die Fotografie auch zu einer eigenen Kunst avanciert. Die erste Ablehnung der neuen Technik gegenüber schlägt schnell in eine Begeisterung und einen Wettbewerb um.
Ob dieses Fotoalbum eine Sammlung der erwähnten Visitenkarten-Fotografien enthält, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. In dem ledergebundenen und mit Metallornamenten verzierten Album sind Fotografien verschiedenster Personen gesammelt worden. Dabei lässt sich nicht immer ein familiärer Zusammenhang herstellen. Es versammelt sowohl Männer, Frauen und Kinder alleine, als auch Mütter mit Kindern oder mehrere Kinder gemeinsam. Darüber hinaus sind einige wenige Architekturmotive enthalten. Die Fotos stammen, abzulesen an der Kleidung der Personen, aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Häufig wurde mit Bleistift der Name oder die Position (Hofrath, Hauptmann o.ä.) sowie eine Stadt notiert. An einigen Stellen ist die Fototasche nur einseitig bestückt, sodass auf den Bildrückseiten Ateliernamen etwas über die Herkunft der Fotografien zu erkennen geben: G. Steffens Berlin, August Brasch Leipzig, Adéle k. und k. Hoffotografin Wien, C. E. Mögle Rotterdam und W Ganter Rotterdam. Diese Mischung aus verschiedenen Städten spricht für eine Sammlung von visitenkartengroßen Fotografien, die Notierung der Namen allerdings legt nahe, dass die Personen der/dem Sammler*in bekannt waren.
Im Fotoalbum liegt eine Feldpostkarte aus dem Jahr 1914 adressiert an das Rittergut in Schmölen. Ob diese zufällig dort hineingelegt oder das Fotoalbum tatsächlich vom Rittergut übernommen wurde, ist ebenfalls nicht eindeutig belegt. Das Album ist eine interessante Quelle, um Einsicht in die Entwicklung der Porträtfotografie und die damalige Mode zu bekommen. Rollenbilder können daran studiert und Statussymbole bemerkt werden, wenn etwa die Kinder kleinere Versionen der Erwachsenenkleidung tragen, die Uhrenketten der Herren ebenso deutlich ins Auge fallen wie die ausladenden Röcke der Damen.
Das Album ist offensichtlich bereits durch viele Hände gegangen. So sind die Ecken des Einbands leicht beschädigt, eine Metallschließe fehlt und die verstärkten Seiten weisen Stockflecken auf. Der Goldschnitt ist jedoch noch gut erhalten, ebenso ist ein Großteil der Fotografien in guter Qualität.
Literatur
W. Baatz, Geschichte der Fotografie. Ein Schnellkurs, Köln 2008.
D. Yorath, Fotografie, München 2001.