Willibald Krain (Breslau 1886 – Dresden 1945)
„Deutsche Frauen und Mütter!“
Berlin, 1924
Plakatkunstdruck Eckert, Berlin-Schöneberg
Papier / Farbdruck
95 x 70 cm
Inv.-Nr.: V232S
Eine Frau mit sanftem Blick hält ein Kind im Arm, welches sie sorgenvoll ansieht. Beide sind in ein schwarz-rot-goldenes Tuch gehüllt. Daneben steht in ebenso schwarz-rot-goldenem Text auf hellem Untergrund „Deutsche Frauen und Mütter! Denkt an die Zukunft Eurer Kinder! Wählt Deutsche Demokratische Partei“.
Das Plakat nutzt ein eindrucksvoll emotionalisiertes Motiv: Die Mutter erscheint als Nationalallegorie der Germania, die ihre Hand schützend über ihr Kind, die deutsche Nation hält. Die Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold gelten hierbei als Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik, im Gegensatz zu den Nationalfarben des Kaiserreichs. Entworfen wird das Plakat von Willibald Krain zur 3. Reichstagswahl am 7. Dezember 1924. Wählerinnen sollen mobilisiert werden, an der politischen Mitgestaltung teilzunehmen und für die Deutsche Demokratische Partei zu stimmen.
Bekannte Frauenrechtlerinnen wie Marie-Elisabeth Lüders und Gertrud Bäumer – von 1920 bis 1930 stellvertretende Vorsitzende – gehören zu den Mitgliedern der im Jahr 1918 gegründeten, linksliberalen DDP. Keine andere Partei identifiziert sich so uneingeschränkt mit der parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik und bekennt sich so eindeutig zu individueller Freiheit und sozialer Verantwortung. Aus dieser Wahl 1924 geht eine Koalition aus der Bayerischen Volkspartei (BVP), der Deutschen Zentrumspartei (Z), der Deutschen Volkspartei (DVP) sowie der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) hervor. Nur 6,3 % der Stimmen gehen an die DDP.
Erst sechs Jahre zuvor, am 12. November 1918 – ein Tag nach dem Ende des Ersten Weltkrieges – verkündet der Rat der Volksbeauftragten in Berlin mit dem Aufruf „An das deutsche Volk“ die Erklärung eines neuen Wahlrechts: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen“.
Das Frauenwahlrecht markiert einen signifikanten Schritt in Richtung Demokratie und Parlamentarisierung zum Ende des deutschen Kaiserreiches und dem Beginn der Weimarer Republik. Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 dürfen Frauen dann erstmals in Deutschland vom aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen. 82,3 % der wahlberechtigten Frauen gehen in diesem Jahr an die Wahlurne. 37 weibliche Abgeordnete ziehen ins neu gewählte Parlament ein, darunter die SPD-Politikerin und AWO-Gründerin Marie Juchacz (Landsberg an der Warthe 1879 – Düsseldorf 1956), die als erste Frau überhaupt genau einen Monat später eine Rede im Reichstag hält: „Ich möchte hier feststellen, und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“
Das Frauenwahlrecht war aber weniger ein Ergebnis des verlorenen Ersten Weltkrieges sondern vielmehr die Errungenschaft von Frauenbewegungen, Gewerkschaften und Sozialdemokratinnen seit der Französischen Revolution.
Nur wenige Jahre später wurde Frauen ab 1933 unter den Nationalsozialisten das passive Wahlrecht aberkannt: Sie durften sich nicht mehr zur Wahl aufstellen lassen. Erst ab 1949 galt für Frauen ab 21 Jahren in der BRD und DDR wieder das allgemeine Wahlrecht.
Quellen:
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/weimarer-republik-346/332895/gefaehrdete-stabilitaet-1924-1929/
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-kalenderblatt-juchacz-591728
https://www.lpb-bw.de/12-november#c105404