V 5852A: Porzellanfabrik Gebrüder Winterling OHG
V5853A: Bareuther & Co. AG
Ende 19. Jh. – Mitte 20. Jh.
Porzellan
V5852A: Tasse ⌀ 10,8 cm H 5,9 cm | Untertasse ⌀ 15,6 cm | Teller ⌀ 20,5 cm
V5853A: Tasse ⌀ 10,2 cm H 5,6 cm | Untertasse ⌀ 15 cm | Teller ⌀ 19,5 cm
Inv.Nr.: V5852A, V5853A
Alljährlich beginnt um diese Zeit im Jahr die Suche nach den passenden Geschenken für Familie und Freunde. Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es durchaus üblich, jungen Frauen oder frisch verheirateten Paaren Dinge für den Hausrat zu schenken. Ob zu Weihnachten oder anlässlich von Konfirmation, Hochzeit oder Ehejubiläen – verschenkt wurden Silberbesteck, Tisch- und Bettwäsche sowie Sammeltassen.
Die Tradition der Sammeltasse geht bis in die Zeit des Biedermeiers (1815–1848) zurück, als man sich auf das Häusliche, bürgerliche Traditionen und regionale Geschichte besinnt. Im frühen 19. Jahrhundert wird Porzellan preiswerter und in bürgerlichen Kreisen etabliert sich der Brauch, aufwendig gestaltete Tassen zu sammeln und zu verschenken. Sowohl zu besonderen Anlässen als auch als Freundschaftsgaben übergibt man gerne Tassen, die weniger für den Gebrauch als vielmehr als Dekoration in einer Vitrine gedacht waren. Ganz dem Zeitgeschmack entsprechend werden die Tassen und kleinen Teller mit Blumenmustern, Landschaften, Stadtveduten, Monumenten oder Widmungen gestaltet. Handelte es sich zuerst nur um eine Tasse ohne Kuchenteller, da man zum Tee eher nichts gegessen hat, wird dieser im 20. Jahrhundert ergänzt. Mit der Entstehung weiterer Porzellanmanufakturen in Deutschland erlebten die Gedecke eine besondere Blütezeit zwischen 1860 und den 1930er Jahren. Die Hersteller reagieren auf die Sammelleidenschaft mit immer neuen Tassenformen und Dekoren. Die Firma Fürstenberg zum Beispiel hält 1860 91 Modelle vor, 1926 sind es über 100.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt die Tradition der Sammeltassen nochmals auf. In dieser Zeit werden sie zu einem Gebrauchsgegenstand. In den fünfziger Jahren kann man sie in Kaufhäusern erwerben und erhält sie nach wie vor zum Geburtstag, der Hochzeit, Konfirmation oder Firmung. Selbst gekauft dienen die Gedecke zur Vervollständigung eines Services. Nur wenige leisten sich ein ganzes Kaffeegeschirr für acht oder mehr Personen mit einem Mal. Man kauft die Gedecke stückweise. An den Dekoren hat sich nicht viel geändert – zwar sind die Ansichtstassen verschwunden, aber die Blumendekore, geometrischen Muster und Goldverzierungen bleiben bestehen.
Die Sammeltasse V5382 stammt aus Röslau. Die Firma Winterling Porzellan AG geht auf die 1903 in Markleuthen von Heinrich Winterling (sen.) und die 1906 in Röslau durch die Brüder Heinrich und Ferdinand Winterling gegründeten Porzellanfabriken zurück. In den folgenden Jahren werden auch die weiteren drei Brüder und beide Schwestern in das Familienunternehmen integriert. Die Firma floriert und kauft weitere Unternehmen hinzu, wie 1917 die Firma Oskar Schaller & Co. in Schwarzenbach an der Saale. Mit dem Einstieg in die Textilbranche, dem Kauf einer Lithografischen Kunstanstalt und einem Sägewerk expandiert man weiter und deckt den eigenen Bedarf an Buntdruckmaterial und Verpackungen. Auch kleinere Porzellanfabriken wie in Triptis in Thüringen werden aufgekauft und weiter betrieben. 1992 werden zahlreiche Firmen der Familie Winterling, mit Ausnahme des Werks in Marktleuthen, zu einer Aktiengesellschaft zusammengefasst, der Winterling Porzellan AG mit Sitz in Kirchenlamitz. Zu diesem Zeitpunkt ist sie das zweitgrößte Unternehmen der Porzellanherstellung in Deutschland. Mit dem Kauf der Hutschenreuther AG 1997 wächst die Winterling AG zum größten Porzellanhersteller in Deutschland mit 2600 Mitarbeitenden. Allerdings konzentriert sich das Unternehmen mit diesem Zukauf weiter auf das Marktsegment Porzellanwaren. Hier herrschen ein hoher Preiskampf und Importdruck. Durch die entstehenden Absatzprobleme und Familienstreitigkeiten gerät das Unternehmen in Schieflage und muss im Jahr 1999 Insolvenz anmelden.
Die Tasse ist mit einem blau-grauen Blumendekor gestaltet. Die kelchförmige Tasse weist einen Fuß mit geschwungenem Standring auf. Der Henkel besteht aus zwei Teilen und ist filigran gearbeitet. Ein schmaler Goldrand am Tassenrand, dem Henkel und den Tellerrändern ist noch erhalten.
Die Sammeltasse V5383A stammt aus Waldsassen. Die Firma Bareuther geht zurück auf den Porzellandreher Johann Matthäus Riess, der 1866 eine Porzellanfabrik gründet. Aufgrund der Übernahme durch die Egerländer Kaufleute Oskar Bareuther aus Haslau (Hazlov) und Ernst Ploß aus Asch (Aš) sowie Max Jena aus Selb erlebt die Firma einen rasanten Aufschwung ab 1885.
Eine ernstzunehmende Konkurrenz erhielt Bareuther & Co. 1898 durch die Gründung einer weiteren Porzellanfabrik, die ein Jahr später von Emanuel Gareis, Joseph Kühnl, Moritz Reis und Philipp Rosenau (Gareis, Kühnl & Co.) aufgekauft wurde und mit Haushaltsgeschirr, Vasen und Stapelware ein ähnliches Sortiment anbietet wie der länger am Ort bestehende Konkurrent. Im Jahr 1969 fusionieren die beiden Unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere auf dem ausländischen Markt zu steigern. Nach der Wiedervereinigung kommt die Firma in finanzielle Schwierigkeiten und muss 1994 schließen. In dem Buch „Industrie der Oberpfalz in Wort und Bild“ von 1914 werden die Firma und ihre technische Ausstattung ausführlich beschrieben. Neben der Staubabluftanlage zur Reinigung der Luft in den Arbeitsräumen, werden auch die „aparten Formen vereint mit einer stil- und geschmackvollen Bemalung“ der Porzellanwaren beschrieben. Außerdem findet sich ein Absatz zur besonderen Treue der Mitarbeitenden.
Diese Tasse ist in einem blauem Blumendekor, ergänzt durch ein goldenes Gittermuster gestaltet. Die kelchförmige Tasse steht auf einem Fuß mit geschwungenem Standring. Der Henkel setzt sich aus zwei Teilen zusammen und ist zierlich gearbeitet. Auf der Untertasse finden sich noch reliefartig erhabene Rocaillen.
Quellen
http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen1/firmadet14589.shtml [„Industrie der Oberpfalz in Wort und Bild“ Zugriff 03.12.2024]
Beatrix Münzer-Glas: GründerFamilien – FamilienGründungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Porzellanindustrie Nordost-Bayerns (Schriften und Kataloge des Deutschen Porzellanmuseums 75), Hohenberg an der Eger 2002, S. 257–314.
http://www.porzellanstrasse.de/de/porzellanstrasse/orte/waldsassen.html
https://ankegroener.de/blog/?p=36427 [„Wir mäandern um die Sammeltasse“, Zugriff 03.12.2024]