Symphonion
um 1890
Symphonion Fabrik Lochmannscher Musikwerke AG
Holz, Metall, Glas
H 66 cm x B 47 cm x T 30 cm
Inv.-Nr. V858E
Lochplatte „Christnacht (Heilige Nacht auf Engelsschwingen)“
Nr. 3505
Stahl, gestanzt
Durchmesser 30 cm
Inv.Nr. V6152E.1
Die Symphonion Fabrik Lochmannscher Musikwerke AG ist weltweit die erste und eine der bedeutendsten Fabriken für Lochplatten-Musikwerke mit Stimmenkamm. Gegründet wird die Firma von Oscar Paul Lochmann, seinem Bruder Ernst Georg Lochmann sowie Eduard Ernst Kuhno im Jahr 1885 in Leipzig-Gohlis. Ab dem Jahr 1886 kommen Spielwerke unter dem Namen „Symphonion“ auf den Markt. Die Schutzmarke ziert eine dreisaitige Lyra mit Spruchband mit der Aufschrift „Symphonion“
Auf der Wiener Weltausstellung 1892 werden die Produkte der Firma hochgelobt, Leipzig wird zum Zentrum selbstspielender Musikinstrumente. Bereits wenige Jahre später geht die Nachfrage nach Stahlkamminstrumenten aber zurück – selbstspielende Klaviere, Jazzband-Orchestrions, Grammophone und später das Radio verdrängen die Kammzungen-Musikwerke nach und nach.
Den aus Holz gefertigten Korpus unseres Objektes schmücken Pilaster, Voluten und Kannelierungen, foliertes Glas sowie eine kleine abschließbare Schublade. Auf der rechten Seite befindet sich eine abnehmbare Kurbel zum Aufziehen eines Federwerkes, ein Knopf zum Anstellen bzw. Auswählen zwischen einmaligem oder wiederholtem Abspielen sowie ein Münzschlitz – dieser deutet auf den typischen Gebrauch in Wirtshäusern oder Tanzsälen hin – per Münzeinwurf konnten die Gäste das Musikwerk zum Klingen bringen. Im Inneren befinden sich zwei Stimmenkämme mit jeweils 43 Tonzungen.
Zur Tonerzeugung werden Lochplatten verwendet. Diese runden Platten aus Stahl werden maschinell gestanzt, wobei kleine Zungen entstehen, die auf der Rückseite zu Stanznocken umgebogen werden und jeweils einer Note zugeordnet sind. Die Platten werden in die Musikautomaten eingelegt, mithilfe einer Stange befestigt und mittig gegen die Mechanik gedrückt. Sobald das Federwerk aufgezogen ist, rotiert die Platte und die rückseitigen Nocken reißen nun kleine, drehbare Sternenrädchen an, die wiederum die Zungen eines Stimmenkamms anzupfen und erklingen lassen. Eine ähnliche Mechanik kannte man schon von den Schweizer Spieldosen, bei denen eine bestiftete Walze den Stimmenkamm anreißt. Der Vorteil der von Paul Lochmann erfundenen Mechanik bestand jedoch darin, dass die Platten einfach ausgetauscht und günstig hergestellt werden konnten. Sein in Großbritannien angemeldetes Patent nennt die Erfindung einer Anreißvorrichtung mit Sternenrädchen.
Besonders beliebt waren Volkslieder, Märsche, Auszüge aus Opern sowie Weihnachts- und Kinderlieder. Eine Platte konnte jeweils nur ein Musikstück abspielen und die Spieldauer betrug höchstens zwei Minuten.
Kleine Plattenspieldosen waren schon für wenige Mark erhältlich und auch die austauschbaren Platten erschwinglich – somit konnte das Repertoire nach Belieben ergänzt und für den häuslichen Gebrauch eine kleine Plattensammlung angelegt werden.
Literatur:
Heise, Brigit / Grassi Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig, Leipzigs klingende Möbel. Selbstspielende Musikinstrumente 1880–1930, Altenburg 2015.